Reliefs des Pulpitums
Das pulpitum ist abwechselnd mit rechteckigen und halbrunden Nischen verziert, die 21 für das Veranstaltungswesen in römischen Theatern bedeutende, figürlich dekorierte Reliefs zeigen. Sie sind im Folgenden kurz aufgeführt.
Nische 1, linke Rechtecknische
Szene 1:
Auf dem linken Relief sind 2 Tänzerinnen mit den „tympana" genannten Zimbeln sichtbar, die Mänaden aus dem Gefolge des Dionysos.
Lit.: Caputo, Teatro 15 f. Taf. 32 Abb. 55.
Szene 2:
Auf dem rückwärtigen Relief folgen sechs männliche Figuren, welche als Teilnehmer einer Akademie für Schauspieler und Rezitatoren interpretiert wurden.
Lit.: Caputo, Teatro 16 f. Taf. 34 Abb. 58-59; R. Stupperich, Dionysos in Comics: Mythologische Theaterbühnenfriese der Kaiserzeit im griechischen Osten, in: S. Gödde - Th. Heinze (Hrsg.), Skenika: Beiträge zum antiken Theater und seiner Rezeption - Festshrift zum 65. Geburtstag von H.-D. Blume (Darmstadt 2000) 215 f.; R. May, Apuleius and the Drama. The Ass on Stage (Oxford 2006) 22 ff.
Szene 3:
Auf dem rechten seitlichen Relief sieht man eine Sonnnenuhr sowie weitere Gerätschaften auf je einem Postament, die ihre Funktion im Theater besaßen: Schriftrollen und eine Tafel.
Lit.: Caputo, Teatro 17 f. Taf. 38 Abb. 65.
Erster Vorsprung zwischen 2 Nischen
Szene 4:
Auf dem Relief zwischen Rechteck- und Halbrundnische und eingefaßt von zwei Wandsäulchen ist die Schicksalsgöttin Nemesis sichtbar, zu erkennen an ihrem Rad links neben ihr. Von der Göttin selbst ist nur die untere Beinpartie erhalten geblieben.
Lit.: Caputo, Teatro 18 Taf. 35 Abb. 60.
Nische 2, linke Halbrundnische
Szene 5
Darstellung der Neun Musen. Sie symbolisieren in besonderem Maße die Künste für die Vorführungen im Theater. Im Einzelnen handelt es sich um Klio (Epos), Urania (Astronomie), Kalliope (heroischer Gesang), Melpomene (Tragödie), Euterpe (Aulodie), Erato (Hymnen, Liebeslied), Terpsichore (chorische Lyrik), Thalia (Komödie) und Polhymnia (Pantomime, Tanz).
Lit.: Caputo, Teatro 18 Taf. 35-37 Abb. 61-64; C. Schneider, Die Musengruppe von Milet, Milesische Forschungen, 1 (Mainz 1999) 214.
Zweiter Vorsprung zwischen 2 Nischen
Szene 6
Nur Fragmente erhalten.
Nische 3, zweite Rechtecknische von links
Szene 7
linke Seite: geringe Reste eines subselliums und vollständig erhaltene cista, vermutlich zur Aufbewahrung von Kultgegenständen.
Lit.: Caputo, Teatro 16 Taf. 38 Abb. 68.
Szene 8
Rückwärtige Seite: Schauspielszene mit von links nach rechts einem Togatus, einem Mann in Tunika und Mantel, einer geschlossenen Tür (porta hospitalis), einer sitzenden Frau und einer halb geöffneten Tür (porta regia). Die Szene scheint eine Geschichte mit Entdeckung und folgender Anklage darzustellen, in Gegenwart einer sitzenden Frau. In der Deutung der Szene wurde an eine Wiedergabe des Typs des Latinus oder des Laureolus gedacht bzw. eine von Ovid, trist. II 497 wiedergegebenen Situation.
Lit.: L. Robert, Αρχαιολογος, REG 49, 1936, 250 f.; Guidi, Teatro 40; Caputo, Teatro 18 f. Taf. 39 Abb. 69; M. Pinto Colombi, Rappresentazioni figurate del mimo, Reale accademia nazionale dei Lincei, ser. VI 7, 1931, 25-53; M. Bieber, The History of the Greek and Roman Theater (Princeton 1961) 237 Abb. 786; E. Fertl, Von Musen, Miminnen und leichten Mädchen. Die Schauspielerin in der römischen Antike, Blickpunkte, 9 (Wien 2005) Abb. 19; R. May, Apuleius and the Drama. The Ass on Stage (Oxford 2006) 22 ff.
Szene 9
Rechte Seite: geringe Reste eines Dreifußes und eines Altars.
Lit.: Caputo, Teatro 18 Taf. 38 Abb. 67.
Dritter Vorsprung zwischen Nische 3 und 4
Szene 10
Nicht erhalten.
Nische 4, mittlere Halbrundnische
Szene 11
In der mittleren und damit wichtigsten Exedra sieht man links eine Opferszene mit Kaiser Septimius Severus als zweiter Person von links. Links neben ihm steht eine weiterer bärtiger Mannn, der als Plautian gedeutet wurde. Die jugendliche Person rechts von Septimius Severus stellt wahrscheinlich seinen Sohn Caracalla dar, rechts neben diesem folgt schließlich ein Opferdiener, vor dem ein Dreifuß mit kleinem Altar zum Verbrennen von Weihrauch steht. Der Kaiser bekommt vom Opferdiener eine Spendenschale gereicht, der Diener hält ferner eine acerra in seiner Linken. In der Mitte befindet sich die Darstellung der Personifikationen der Städte Rom und Sabratha (oder des Genius ihrer colonia?) die im Gestus der dextrarum iunctio verbunden sind. Roma ist ähnlich einer Amazone mit Köcher und Helm dargestellt, rechts neben ihr steht ein Schild. Die für Sabratha stehende Figur trägt ein langes Gewand, auf dem Kopf eine Krone und rechts von ihr ein Füllhorn. Rechts und links der beiden stehen 4 resp. 3 militärisch gekleidete Personen, die ihre rechte Hand anheben, eine Geste, die als Vereidigung gedeutet wird. Ganz rechts folgt schließlich ein Stieropfer: Das Tier wird von einem victimarius geführt, der den sog. limus trägt und in seiner linken Armbeuge eine Axt sowie an seiner Seite an einem Riemen das große Schlachtermesser (culter). Auf dem Altar steht der Pinienzapfen. Rechts hinter dem Stier sieht man einen Beamten, hinter dem Altar einen weiteren Gehilfen. Die in einem realistischen Kontext erscheinende Darstellung des Septimius Severus wurde mit seiner Reise in Nordafrika im Jahre 204 erklärt.
Lit.: I. Scott Ryberg, Rites of the state religion in Roman art, Memoirs of the American Academy in Rome, 22, 1955, 136 f. Abb. 74; Caputo, Teatro 19 f. Taf. 39-42 Abb. 70-73; Th. Kraus, Das römische Weltreich, Propyläen Kunstgeschichte, 2 (Berlin 1967) Taf. 232; H.B. Wiggers - H. Wegner, Caracalla, Geta, Plautilla - Macrinus, Das römische Herrscherbild, III 1 (Berlin 1971) 85; W. Hornbostel, Severiana, Jahrb. DAI 87, 1972, 354; Diana E.E. Kleiner, Roman Sculpture (New Haven - London 1992) 344 Abb. 312; S. Knippschild, "Drum bietet zum Bunde die Hände": rechtssymbolische Akte in zwischenstaatlichen Beziehungen im orientalischen und griechisch-römischen Altertum, Potsdamer altertumswissenschaftliche Beiträge, 5 (Stuttgart 2002) 43 f.; M. Meyer, Die Personifikation der Stadt Antiocheia. Ein neues Bild für eine Gottheit, JdI Ergänzungsheft, 33 (Berlin - New York 2006) 217.
Vierter Vorsprung zwischen Nische 4 und 5
Szene 12
Hermes trägt den Dionysosknaben, den Gott des Schauspiels. Ähnliche Reminiszenzen an die Kindheit des Dionysos in ähnlichem Kontext sind von den Wandfriesen der Bühnenrückwände in den Theatern von Perge und Nysa bekannt.
Lit.: Caputo, Teatro 20 Taf. 38 Abb. 66.
Nische 5, Rechtecknische
Szene 13
Auf dem Relief der linken Nischenseite sind Theatermasken sichtbar.
Lit.: Caputo, Teatro 20 Taf. 43 Abb. 74.
Szene 14
Auf dem rückwärtigen Relief erkennt man wiederum eine Schauspielszene. Die rechte Figur kann durch die aufgestützte Keule wohl eher als Herakles denn als Theseus gedeutet werden, der hier ein hochgegürtetes Gewand und eine Schauspielermaske trägt. Ihm gegenüber steht nach der Deutung von Caputo Herakles' Sohn Hyllos, den dieser mit Deianeira gezeugt hatte. Der Stoff war bereits von Sophokles in der Tragödie 'Die Trachinerinnen' dargestellt worden, wurde von Seneca in der Tragödie 'Hercules Oetaeus' wiederaufgenommen und zählte schließlich zu den beliebteren Themen im römischen Pantomimus. Der für Herakles ungewöhnliche Gewandung könnte jenes Opfergewand sein, das Deianeira aus Eifersucht mit dem vermeintlichen Liebestrank bestrich, den ihr der Kentaur Nessos gegeben hatte. Tatsächlich führte die Flüssigkeit aber zum qualvollen Tod des Helden auf dem Berge Oetus bzw. Oite und in der Folge davon zum Selbstmord der Deianeira.
Lit.: Caputo, Teatro 20 Taf. 44 Abb. 77; M. Bieber, The history of the Greek and Roman theater (Princeton 1961) 237 Abb. 785; H. Diller, Sophokles: Die Tragödien, in: G.A. Seeck (Hrsg.), Das griechische Drama. Grundriss der Literaturgeschichte nach Gattungen (Darmstadt 1979) 60-62; R. May, Apuleius and the Drama. The ass on stage (Oxford 2006) 22 ff.
Szene 15
Auf dem rechten Relief Podest mit zwei Masken und Thyrsosstab, dem Attribut des Dionysos.
Lit.: Caputo, Teatro 20 Taf. 43 Abb. 75.
Fünfter Vorsprung zwischen Nische 5 und 6
Szene 16
Herakles mit dem Löwenfell.
Lit.: Caputo 20 Taf. 44 Abb. 76.
Nische 6, rechte Halbrundnische
Szene 17
Neben den Drei Grazien (wikimedia-Bild) sind Aphrodite, Athena und Hera sichtbar sowie Hermes und Paris: Sie stellen das Urteil des Paris im Schönheitsstreit der drei Göttinnen dar. Der Siegeskranz ging bekanntlich an Aphrodite und Helena, die Belohnung der Liebesgöttin für Paris’ Urteil, führte zum trojanischen Krieg. Die erotischen Implikationen des Mythos machten ihn zu einem beliebten Sujet für Aufführungen auf römischen Theaterbühnen. Zu den Drei Grazien wird in der Anthologia Palatina IX 616 (ed. Jacobs 1814) beschrieben, dass der kleine Eros ihnen beim Baden ihre Gewänder stahl und sie sich nun genierten, vor die Tür des Bades zu treten. Bei Planudes wird das Bad in Smyrna lokalisiert. Ihre Figurengruppe gehörte gelegentlich zu den Ausstattungen römischer Theater, so auch in Side.
Lit.: Caputo, Teatro 21 Taf. 45-48 Abb. 79-82; W. Trillmich, Charitengruppe als Grabrelief und Kneipenschild, Jahrb. DAI 98, 1983, 331 Abb. 11; K.G. Kachler - S. Aebi - R. Brunner, Antike Theater und Masken, Materialien des Instituts für Theaterwissenschaft Bern 7 (Zürich 2003) 128 f. Abb.; L. Becker - Chr. Kondoleon, The Atrium House Triclinium, in: diess. (Hrsg.), The Arts of Antioch (Worcester 2005) 28 f. mit Anm. 27; R. Webb, Inside the mask: Pantomime from the Performer’s Perspective, in: E. Hall – R. Wyles (Hrsg.), New Directions in Ancient Pantomime (Oxford 2008) 36.
Sechster Vorsprung zwischen Nische 6 und 7
Szene 18
Nike bzw. Victoria.
Lit.: Caputo, Teatro 22 Taf. 45 Abb. 78.
Nische 7, rechte Recknische
Szene 19
Das linke Relief Szene 19 nicht erhalten.
Szene 20:
auf dem rückwärtigen Relief eine weitere Schauspielszene. Caputo interpretierte die Szene als Eteokles und Polyneikes in Gegenwart der Iokaste.
Lit.: Caputo, Teatro 22 Taf. 49 Abb. 83; T.B.L. Webster - J.R. Green - A. Seeberg, Monuments Illustrating New Comedy, II (London 1995) 490 f.; R. May, Apuleius and the Drama. The Ass on Stage (Oxford 2006) 24.
Literatur:
G. Caputo, Il teatro di Sabratha (Rom 1959) 15 ff.
G. Bejor, La decorazione scultorea dei teatri romani nelle provincie africane, Prospettiva 17, 1979, 37-46.
M. Fuchs, Untersuchungen zur Ausstattung römischer Theater in Italien und den Westprovinzen des Imperium Romanum (Mainz 1987) 133.
E. Hall, Introduction, in: dies. - R. Wyles (Hrsg.), New Directions in Ancient Pantomime (Oxford 2008) 19.
D. A. Koch, Bilder aus der Welt des Urchristentums (Göttingen 2009) 131 f. Abb. 210-212.