Xenokles war ein attischer Tragödiendichter und Sohn des Karkinos, der ebenfalls als Tragiker bekannt ist. Einer seiner Söhne hieß wiederum Karkinos, war gleichfalls Tragiker und dieser könnte vielleicht der Vater eines zweiten Tragikers namens Xenokles sein, dessen Existenz sonst allein aus Schol. Aristophanes, Ran. 86 bekannt ist. Die Schaffenszeit des älteren Xenokles lässt sich zwischen den Jahren 423 bis 405 v.Chr. nachweisen.
Die Werke des Xenokles sind nicht erhalten, nur wenige Titel sind überliefert. Bekannt ist er vor allem, weil er in der Alten Komödie von Aristophanes und Pherekrates wegen seiner geringen Größe oft verspottet wurde. Gerne wurden er und seine Brüder auch deshalb als Söhne des Karkinos bezeichnet, weil dessen Name 'Krebs' bedeutete und dies zu weiteren Spöttereien Anlass gab.
In Aristophanes, Pax 792 werden Karkinos und seine Söhne als μηχανοδίφας bezeichnet, was im Scholion, Aristophanes präzisiert wird:
ἀπὸ μέρους τοῦτο· Ξενοκλῆς γὰρ ὁ Καρκίνου δοκεῖ μηχανὰς καὶ τερατείας εἰσάγειν ἐν τοῖς δράμασιν. Πλάτων Σοϕισταῖς·Ξενοκλῆς ὁ δωδεκαμήχανος ὁ Καρκίνου παῖς τοῦ ϑαλαττίου. (Xenokles, der Sohn des Karkinos, soll Theatermaschinen und Terateia in die Dramen eingeführt haben. Plato in den Sophistai fr. 143 (PCG): Xenokles, der Zwölfermaschinist, Sohn des Karkinos vom Meere)
“μηχανοδίϕας” εἶπεν αὐτούς, ἐπειδὴ πολλάκις ὡς τραγῳδοὶ μηχανὰς εἰσέϕερον, ἡνίκα ϑεοὺς ἐμιμοῦντο ἀνερχομένους ἢ κατερχομένους ἐκ τοῦ οὐρανοῦ ἢ ἄλλο τι τοιοῦτον. (Mechanodiphai sind Vorrichtungen, mit denen meist Tragödienschauspieler in Maschinen hineingetragen werden, sobald sie als Götter auftreten und entschweben oder aus dem Himmel hinabsteigen ...)
Mechanai waren Theatermaschinen, Terateiai bedeutet Gaukeleien, vielleicht waren damit Vorrichtungen für illusionistische Effekte gemeint.
Testimonia
Aristophanes, Vesp. 1500-1516.
Die Verse in der im Jahre 422 v.Chr. urausgeführten Komödie veralbern die drei Söhne des älteren Karkinos wegen ihrer kleinen Gestalt, explizit ist Xenokles als der Kleinste herausgestellt. Die Verse der Schlussszene beschreiben die Aufforderung zu einem tänzerischen Wettbewerb:
„PHILOKLEON: ....
Wagt's einer oder nicht? SKLAVE: Der dort, sonst keiner!
PHILOKLEON: Wer ist der Jammermensch? SKLAVE: Karkinos' Sohn,
der Mittlere. PHILOKLEON: Den schluck ich runter! Den
Vernicht' ich durch den Taktschlag meiner Faust:
Im Rhythmus taugt er nichts! SKLAVE: Unglücklicher!
Da kommt ein zweiter trag'scher Krabbensohn.
Sein Bruder. PHILOKLEON: Der ist gut als Zugemüse.
SKLAVE: Bei Zeus, da wimmelts ja von Krabben, schau,
Da kommt ein dritter Krabbensohn! PHILOKLEON: Was krabbelt
Daher? - Seespinne oder Taschenkrebs?
SKLAVE: Der Pinnenwächter ist's in der Familie,
Das Nestküchlein, das die Tragödien macht.
PHILOKLEON: Heil dir, Karkinos, welch ein Kindersegen!
Ein ganzer Schwarm Zaunschlüpfer schwebt herab!
Doch ich muss runter, gegen sie kämpfen.
(zum Sklaven) Mach Soße für die Krebse, wenn ich siege.” (Übers. nach L. Seeger)
Aristophanes, Pax 784-792.
Der Chor wendet sich an das Publikum, dem Aristophanes den Sieg für seine Komödie bei den Dionysien des Jahres 421 v.Chr. zu gewähren und macht bei dieser Gelegenheit Karkinos und seine Söhne herunter. An die Muse gewandt heißt es:
„Aber ersucht dich Karkinos,
Dich seinen Söhnen zu nahn und ihrem Chortanz:
Laß dich nicht ein mit ihnen,
Komm ihnen nicht zu Hilfe!
Denke: Sie sind Hauswachteln
Samt und sonders, nicht mehr, langhalsige Tanzmännchen,
Knirpse und Geißkügelchen, maschinistische Allerweltskünstler!
Selber der Vater, er sagte, das Stück, das er
Wider Erwarten gebar
Das hab' die Katze gefressen! ...”
Aristophanes, Pax 864.
Nachdem der Bauer Trygaios frohlockt hatte, das er bald mit den Brüsten seiner zukünftigen Braut Opora (= Ernte) spielen dürfe:
„CHOR: Dann bist du ja beglückter noch als des Karkinos Kreisel!"
Die Stelle spielt auf Tänze des Karkinos an, die scheinbar besonders virtuos waren.
Platon, Sophistai fr. 134 (Kock)
Pherekrates fr. 14 (Kock)
Literatur
F. Welcker, Die Griechischen Tragödien mit Rücksicht auf den epischen Cyclus, III (Bonn 1841) 1019-1024.
A. Meineke, Fragmenta comicorum Graecorum I (Berlin 1839) 515; II 258.
J. Kirchner, Prosopographia Attica (Berlin 1901) 11222.
H. Hoffmann, Chronologie der attischen Tragödie (Hamburg 1952) 121 ff.
RE IX A2 (Stuttgart 1967) 1509-1510 s.v. Xenokles (B. Snell).
B. Snell (Hrsg.), Tragicorum Graecorum fragmenta, I. Didascaliae tragicae; Catalogi tragicorum et tragoediarum; Testimonia et fragmenta tragicorum minorum (Göttingen 1971) 151-153 Nr. 33.
Kleiner Pauly, V (München 1979) 1412 s.v. Xenokles Nr. 7 (F. Stoessl)
Werke
Ἀϑαμὰς, Athamas
Im Jahre 415 v.Chr. führte Xenokles eine Tetralogie aus den 'Bakchen', dem 'Lykaon' und dem 'Ödipus' sowie dem Satyrspiel Athamas auf und gewann dabei den ersten Preis vor Euripides:
Aelian, var. hist. II 8:
κατὰ τὴν πρώτην καὶ ἐνενηκοστὴν Ὀλυμπιάδα, καϑ᾽ ἣν ἐνίκα Ἐξαίνετος ὁ Ἀκραγαντῖνος στάδιον, ἀντηγωνίσαντο ἀλλήλοις Ξενοκλῆς καὶ Εὐριπίδης. καὶ πρῶτός γε ἦν Ξενοκλῆς, ὅστις ποτὲ οὗτός ἐστιν, Οἰδίποδι καὶ Λυκάονι καὶ Βάκχαις καὶ Ἀϑάμαντι Σατυρικῷ. τούτου δεύτερος Εὐριπίδης ἦν Ἀλεξάνδρῳ καὶ Παλαμήδει καὶ Τρωσὶ καὶ Σισύϕῳ Σατυρικῷ. γελοῖον δὲ῾οὐ γάρ᾿Ξενοκλέα μὲν νικᾶν, Εὐριπίδην δὲ ἡττᾶσϑαι, καὶ ταῦτα τοιούτοις δράμασι. τῶν δύο τοίνυν τὸ ἕτερον: ἢ ἀνόητοι ἦσαν οἱ τῆς ψήϕου κύριοι καὶ ἀμαϑεῖς καὶ πόρρω κρίσεως ὀρϑῆς, ἢ ἐδεκάσϑησαν. ἄτοπον δὲ ἑκάτερον καὶ Ἀϑηναίων ἥκιστα ἄξιον .
„In der 91. Olympiade, als Exainetos von Akragas im Stadionlauf siegte, lagen Xenokles und Euripides miteinander im Wettstreit. Und erster war Xenokles mit den Stücken 'Ödipus' und 'Lykaon' und den 'Bacchen' sowie dem Satyrspiel 'Athamas'. Zweiter war Euripides mit 'Alexandros' und 'Palamedes' und den 'Troerinnen' sowie dem Satyrspiel 'Sisyphos'. Es ist schon witzig, dass Xenokles siegte, Euripides aber geschlagen wurde, und das in derartigen Dramen. Es gibt eine von zwei Möglichkeiten: Entweder waren die für die Entscheidung verantwortlichen Herrschaften ohne Verstand und ungebildet und fern eines korrekten Urteilsvermögens, oder sie waren bestochen. Jede der Möglichkeiten ist nicht am Platze und der Athener unwürdig.”
Lit. und Ausgaben:
Βάκχαι, Bacchen
Im Jahre 415 v.Chr. führte Xenokles eine Tetralogie aus den 'Bakchen', dem 'Lykaon' und dem 'Ödipus' sowie dem Satyrspiel Athamas auf und gewann dabei den ersten Preis vor Euripides:
Ausgaben und Lit.: R. Hercher, Claudii Aeliani de natura animalium libri xvii, varia historia, epistolae, fragmenta (Leipzig 1866)
Μύες, Fliegen (?)
Schol. Aristophanes, Pax 795.
Die Tragödie, die zwischen Xenokles und seinem Vater Karkinos strittig sein soll, könne das in Schol. Aristoph. 794 erwähnte Stück μύες sein, doch ist dies unsicher.
Λικύμνιος, Likymnios
Die Tragödie Likymnios wurde in der Komödie 'Die Wolken' im Jahre 423 v.Chr. parodiert, wo offenbar auf eine Sagenversion angespielt wird, in welcher Likymnios von Tlepolemos bei einem Wagenunfall getötet wurde. Euripides schrieb ebenfalls eine Tragödie 'Likymnios'.
Aristophanes, Nub. 1260-1268:
STREPSIADES: Ha!
Wer heult da so erbärmlich? Ist's vielleicht
Ein Gott aus des Karkinos Jammerstücken?
AMYNIAS: Ihr fragt mich, wer ich bin? - Ach Gott, ein Mann
des Unglücks! STR: So? Dann bleib für dich allein'
A: 'O hartes wagenradzertrümmerndes
Geschick! O Pallas, so verließt du mich!'
STR: Was tat Tleptolemos dir denn zuleide?
A: Hör du! Anstatt zu spotten, mache du,
Dass endlich mir dein Sohn mein Geld bezahlt." (Übers. L. Seeger)
Λυκάων, Lykaon
Im Jahre 415 v.Chr. führte Xenokles eine Tetralogie aus den 'Bakchen', dem 'Lykaon' und dem 'Ödipus' sowie dem Satyrspiel Athamas auf und gewann dabei den ersten Preis vor Euripides:
Οἰδίπους, Ödipus
Die Tragödien war Teil einer Tetralogie aus den 'Bacchen' und dem 'Lykaon' sowie dem Satyrspiel 'Athamas' und siegte im Jahre 415 v.Chr. über Euripides mit seiner Tetralogie aus dem 'Alexandros', dem 'Palamedes' und den 'Troerinnen' sowie dem Satyrspiel 'Sisyphos'.
Lit.: R. Krumeich - N. Pechstein - B. Seidensticker, Das griechische Satyrspiel (Darmstadt 1999) 183.