Im Stadtrecht bzw. der lex coloniae Genitivae Iuliae sive Ursonensis, CIL II 5439 Tab. III § 125-127 aus dem Jahre 43 v. Chr. wurde beschrieben, welche Plätze im Theater für welche gesellschaftliche Gruppe reserviert sind (Bild).
„ CXXV. Quicumque locus decurionibus datus [at]signatus | relictusve erit, ex quo loco decuriones ludos spectare | o(portebit), ne quis in [e]o loco, nisi qui tum decurio c(oloniae) G(enetivae) erit qui|ve tum magist[r]atus imperium potestatemve colono[r(um)] | suffragio geret iussuque C Caesaris dic(tatoris) co(n)s(ulis) prove | co(n)s(ule) habebit, quive pro quo imperio potestateve tum | in col(onia) Gen(enetiva) erit, quibusque loc[o]s in decurionum loco | ex d(ecreto) d(ecurionum) col(oniae) Gen(enetivae) d(ari) o(portebit), quod decuriones de[c]r(everint), cum non minus | dimidia pars decurionum adfuerit cum e(a) r(es) consulta erit, | Ne quis praeter eos, qui s(upra) s(cripti) s(unt), qui locus decurionibus da|tus atsignatus relictusve erit, in eo loco sedeto neve | quis alium in ea loca sessum ducito neve sessum [d]uci | iubeto s[c]i(ens) d(olo) m(alo). Si quis adversus ea sederit sci(ens) d(olo) m(alo) [siv]e | quis atversus ea sessum duxerit ducive iusserit sci(ens) d(olo) malo, | is in res sing(ulas), quotienscumque quit d(e) e(a) r(e) atv[er]sus ea | fecerit, (sertertium V milia) c(olonis) c(oloniae) G(enetivae) I(uliae) d(are) d(amnas) e(sto), eiusques pecunia[e q]ui eorum | volet rec(iperatio) iudicio apud Iivir(um) praef(ectum)ve actio petitio perse|cutio ex [h(ac) l(ege) i(us) potest(as)ve e(sto).
CXXVI. IIvir, aed(ilis), praef(ectus) quicumque c(oloniae) G(enetivae) I(uliae) ludos scaenicos faciet, si|ve quis alius c(oloniae) G(enetivae) I(uliae) ludos scaenicos faciet, colonos Geneti|vos incolasque hospitesque atventoresque ita sessum du|cito, ita locum dato distribuito atsignato, uti de ea re de | eo loco dando atsignando decuriones, cum non minus | L decuriones, cum ea res consuletur, in decurionibus adfuerint, | decreverint statuerint s(ine) d(olo) m(alo). Quot ita ab decurionibus | de loco dando atsignando statu[tum] decretum erit, | it h(ac) l(ege) i(us) [r(atum)]q(ue) esto. Neve is qui ludos faciet aliter aliove | modo sessum ducito neve duci iubetur neve locum dato | ne[ve] dari iubeto neve locum attribuito neve attribui | iubeto neve locum atsignato neve atsignari iubeto ne|ve quid facito qu[o] aliter aliove modo, adque uti | locus datus atsignatus atrributusve erit, sedeant, ne|ve facito, quo quis alieno loco sedeat, sc(iens) d(olo) m(alo). qui atver|sus ea fecerit, is in res singulas, qotien[sc]umque quit | atversus ea fecerit, (sestertium V milia) c(olonis) c(oloniae) G(enetivae) I(uliae) d(are) d(amnas) e(sto) eiu[squ]e pecuni|ae, [q]ui volet rec(iperatio) iudicio aput Iivir(um) pr[a]ef(ectum)ve actio pe|titio persecutioque h(ac) l(ege) ius potestasque esto.
CXXVII. Quicumque ludi scaenici c(oloniae) G(enetivae) I(uliae) fient, ne quis in or|chestr[a] ludorum spectandor(um) causa praeter mag(istratus) | prove mag(istratu) P(opuli) R(omani) quive i(ure) d(icundo) p(raerit) [e]t si quis senator P(opuli) R(omani) est erit | fuerit et si quis senatoris f(ilius) P(opuli) R(omani) est erit fuerit et si | quis preaf(ectus) fabrum eius magi(stratus) prove magistrat[u], | qui provinc(iarum) Hispaniar(um) ulteriorem Baeticae pra|erit optinebit, er[i]t et quos ex h(ac) l(ege) d(ecurionum) loco | decurionem sedere oportet oportebit, Praeter eos | qui s(upra) s(cripti) s(unt) ne quis in orchestr[a] ludorum spectan|dorum causa sedeto neve quisque mag(istratus) prove mag(istratu) | P(opuli) R(omani) q(ui) i(ure) d(icundo) p(rearit) ducito neve quem quis sessum ducito | n[e]ve in ea loco sedere sinito, uti q(uod) r(ecte) f(actum) e(sse) [v(olet)] s(ine) d(olo) m(alo).“
Übersetzung:
„ (125) Keine Person soll sich bei den Spielen an den Platz setzen, der den Dekurionen gegeben, angewiesen oder gelassen wird, von dem aus sie die Spiele betrachten sollen, außer der, die dann Dekurio der c(olonia) G(enetiva) ist oder die Beamter ist oder eine Beamten- oder Amtsgewalt infolge einer Wahl durch die Kolonisten oder auf Befehl des C(aius) Caesar, des Diktators, Konsuls oder Prokonsuls, ausübt oder die dann in der col(onia) Gen(etiva) mit Befehls- oder Amtsgewalt beauftragt ist, und die Personen, denen ein Platz unter den Dekurionen gegeben werden muß auf Beschluß der Dekurionen der col(onia) Gen(etiva), den die Dekurionen fassen, wenn nicht weniger als die Hälfte der Dekurionen anwesend ist, wenn über diese Sache beraten wird: niemand außer den oben genannten Personen soll sich an den Platz setzen, der den Dekurionen gegeben, angewiesen oder gelassen wird, und niemand soll jemand anderen zum Sitzen an diese Plätze führen, noch soll er vorsätzlich und in böser Absicht befehlen, daß man jemand anderen hinführt, damit er dort Platz nimmt. Wenn jemand entgegen diesen Bestimmungen sich vorsätzlich und in böser Absicht hinsetzt, sei es, daß er entgegen diesen Bestimmungen jemanden hinführt, damit er sich hinsetzt, oder er vorsätzlich und in böser Absicht befiehlt, daß man ihn dorthin führt, soll er, wie oft er diesbezüglich gegen diese Bestimmungen verstößt, verpflichtet sein, den Kolonisten der c(olonia) G(enetiva) I(ulia) 5000 Sesterzen zu zahlen. Jedem von ihnen, der es wünscht, soll gemäß diesem Gesetz in einem Verfahren durch Rekuperatoren vor dem Duumvir oder dem Präfekten der Anspruch auf dieses Geld, ein gerichtliches Verfahren und die Durchfechtung zustehen.
(126) Welcher Duumvir, Adil, Präfekt der c(olonia) G(enetiva) I(ulia) Theaterspiele aufführen läßt, oder sei es, daß ein anderer Bürger der c(olonia) G(enetiva) Theaterspiele aufführen läßt, er soll die Kolonisten (der Kolonie) Genetiva, die Nichtbürger, die in der Kolonie wohnen, die Gäste und Besucher so zu ihren Sitzen führen, ihnen so den Platz geben, verteilen und anweisen, wie es diesbezüglich die Dekurionen beschließen und anordnen ohne böse Absicht, wenn nicht weniger als 50 Dekurionen unter den Dekurionen anwesend sind, wenn über diese Sache beraten wird. Was so von den Dekurionen über die Vergabe und Anweisung von Plätzen angeordnet und beschlossen wird, das soll gemäß diesem Gesetz rechtens und gültig sein. Weder soll der Spielveranstalter die genannten Personen auf eine andere Weise zu ihren Sitzen führen noch führen lassen noch ihnen einen Platz geben noch einen Platz geben lassen noch einen Platz zuteilen noch zuteilen lassen noch anweisen noch anweisen lassen, noch soll er etwas tun, wodurch die genannten Personen anders sitzen als auf dem Platz, der ihnen gegeben, angewiesen oder zugeteilt wird. Ferner soll er nicht wissentlich und in böser Absicht jemanden auf einen Platz sich setzen lassen, der ihm nicht gehört. Wenn jemand diesen Bestimmungen zuwiderhandelt, soll er verpflichtet sein, für jeden Verstoß dagegen den Kolonisten der c(olonia) G(enetiva) I(ulia) 5000 Sesterzen zu geben. Jedem, der es wünscht, soll gemäß diesem Gesetz in einem Verfahren durch Rekuperatoren vor dem Duumvir oder dem Präfekten der Anspruch auf dieses Geld, ein gerichtliches Verfahren und die Durchfechtung zustehen.
(127) In allen Theateraufführungen der c(olonia) G(enetiva) I(ulia) soll niemand in der Orchestra Platz nehmen, um die Spiele zu betrachten, außer dem Magistrat oder dem Promagistrat des römischen Volkes oder einem Beamten, der mit der Rechtsprechung beauftragt ist, oder einem Senator des römischen Volkes oder einem Sohn eines Senators des römischen Volkes oder dem Präfekten der Handwerker eines Magistrats oder Promagistrats, der das diesseitige Spanien (Baetica) verwaltet, und den Personen, die gemäß diesem Gesetz auf den Plätzen der Dekurionen Platz nehmen dürfen. Außer den vorgenannten Personen soll niemand in der Orchestra sitzen, um die Spiele anzuschauen, noch soll ein Magistrat oder Promagistrat oder der, der die Rechtsprechung ausübt, ihn dorthin führen; noch soll jemand irgend jemanden billigerweise und ohne böse Absicht an diesen Platz führen noch zulassen, daß er sich auf diesen Platz setzt.“
Literatur: H. Freis, Historische Inschriften zur römischen Kaiserzeit von Augustus bis Konstantin. Texte zur Forschung 49 (Darmstadt 1984) 85 ff. Nr. 42 (Übersetzung).
Auch andernorts sind Vorschriften überliefert, für welche Personengruppe welche Teile des Zuschauerraumes reserviert sind. Diese wurden vielfach den örtlichen Rat der Dekurionen formuliert. So gibt es in Capua eine Inschrift aus dem Jahre 94 v. Chr., nach welcher Frauen nur in einem eigenen cuneus sitzen durften. Wahrscheinlich war diese Vorschrift eine Reaktion auf andere ungeregelte Verhältnisse, denn aus Plautus, Poenulus 32-35 und Terenz, Hecyra 35 geht hervor, dass Männer und Frauen zusammen sitzen konnten. In Interamna Nahars-Terni wurden laut einer spätrepublikanischen Inschrift „in muliebris“ Schallgefäße aufgestellt, also in einem besonderen Teil der cavea. Unter Kaiser Augustus durften sie nurmehr in der summa cavea sitzen, also auf den schlechtesten Plätzen. Diese Regel ist nach Sueton, Augustus 44 Teil eines umfangreichen Regelwerks zur Sitzordnung in Theatern:
„Der bei den Schauspielen eingerissenen Unordnung und Zügellosigkeit setzte er durch verschiedene Verordnungen ein Ende. Den Anstoß dazu bot ihm die Beleidigung, die ein Senator erleben mußte, als ihm während einer sehr gut besuchten Veranstaltung in Pozzuoli von der großen Zuschauermenge kein Platz angeboten wurde. Augustus veranlaßte deshalb einen Senatsbeschluß, daß, wenn immer irgendwo ein öffentliches Schauspiel stattfinde, die erste Sitzreihe für die Senatoren freizubleiben habe, und für Rom verbot er den Gesandten freier oder verbündeter Völker, in der Orchestra Platz zu nehmen, da er festgestellt hatte, daß sich unter den Mitgliedern dieser Gesandtschaften auch Freigelassene befanden. Das Militär schied er im Theater vom Volke. Den verheirateten Männern aus den unteren Schichten wies er spezielle Reihen zu, den Knaben einen bestimmten Sektor und gleich daneben einen für ihre Erzieher; ferner bestimmte er, daß niemand, der im Mantel gekommen war, auf den Plätzen in der Mitte sitzen dürfe. Den Frauen gestattete er den Besuch von Gladiatorenkämpfen, die sie früher unter den Männern sitzend hatten betrachten dürfen, nur noch, wenn sie für sich von den oberen Reihen aus zuschauten. Den Vestalischen Jungfrauen wies er einen eigenen Platz im Theater an, und zwar gegenüber der Loge des Prätors. Vom Besuch der Athletenwettkämpfe schloß er die Frauen gänzlich aus, so daß er bei den Spielen, die er als Oberpriester gab, einen Faustkampf, den das Publikum forderte, auf die Morgenstunden des folgenden Tages verschob und bekanntgab, es sei unerwünscht, daß Frauen vor morgens zehn Uhr ins Theater kommen.“
Eine besondere Ehre stellte es dar, innerhalb der orchestra auf einem Thron sitzen zu dürfen. In der tabula Hebana wurde bestimmt, dass während der Ehrungen für Germanicus bei den ludi Augustales im Theater zu seinen Ehren eine sella curulis aufgestellt werden sollte. Die berichtet auch Tacitus, annales II 83. Bei der Verkleinerung des Senats beließ Augustus den zurückgetretenen Mitgliedern des Rates als Zeichen der äußeren Ehre u. a. den „Ehrenplatz im Theater“ (Sueton, Augustus 35). Weitere Anspielungen auf speziell reservierte Sitzkompartimente gehen aus dem Epigramm V 41 bei Martial hervor:
„Spadone cum sis eviratior fluxo,
et concubino molhor Celaenaeo,
quem sectus ululat Matris entheae Gaflus,
theatra loqueris et gradus et edicta
trabeasque et Idus fibulasque censusque,
et purrucata pauperes manu monstras.
sedere in equitum ficeat an tibi scamnis
videbo, Didyme: non ficet mantorum.“
Übersetzung:
"Obwohl du unmännlicher bist als ein schlaffer Kastrat
und weichlicher als der Buhlknabe von Celaenae,
den der verschnittene Priester der in Exstase versetzenden Mutter heulend anruft,
redest du immer nur von Theatern, von Sitzreihen und Erlassen,
von der Festtracht der Ritter, von den Iden, den Spangen und dem Ritterzensus
und zeigst mit deiner glattpolierten Hand auf die armen Leute.
Ob du auf Ritterbänken sitzen darfst,
das werde ich noch sehen, Didymus; auf denen für Ehemänner hast du nichts zu suchen."
Siehe Glossar s.v. Sitzordnung.