(deutsche Übersetzung nach O. Veh)

17 (1) In der Öffentlichkeit fuhr er nirgendwo auf Rennwagen außer zuweilen in einer mondlosen Nacht; und doch wollte er nur zu gern als Wagenlenker auch vor dem Volke auftreten, schämte sich indessen, in solch einer Rolle gesehen zu werden. Privat hingegen beschäftigte er sich unablässig mit diesem Sport und trug dabei die Ausrüstung der Grünen. (2) Was wilde Tiere betraf, so erlegte er eine Menge in seinem Privatbereich, viele aber auch öffentlich. Und gerne kämpfte er überdies als Gladiator, und zwar zu Hause bei sich in einer Art und Weise, daß er dann und wann einen Gegner tötete oder im Nahkampf mit anderen - gleichsam beim Versuch, eine Haarlocke abzuschneiden, diesen die Nase, jenen das Ohr und wieder sonst einen Körperteil abschlug. In der Öffentlichkeit hingegen verzichtete Commodus auf Eisen und Menschenblut. (3) Bevor er das Theater betrat, pflegte der Kaiser eine langärmelige, weiße, golddurchwirkte Seidentunika anzulegen und in solcher Aufmachung unsere Grüße entgegenzunehmen. Wenn er dann sich anschickte hineinzugehen, nahm er eine reinpurpurne, goldbestickte Robe und eine gleichfarbige Chlamys nach griechischem Schnitt und setzte sich einen Kranz aufs Haupt, der aus indischen Edelsteinen sowie aus Gold gefertigt war. Außerdem hielt er einen Heroldstab wie den des Merkur in Händen. (4) Die Löwenhaut und die Keule ließ er auf den Straßen vor sich hertragen, in den Theatern ruhten sie auf einem vergoldeten Stuhl, mochte der Kaiser zugegen sein oder nicht. Er selbst betrat in der Tracht eines Merkur die Arena, dann legte er alle sonstigen Kleidungsstücke ab und begann in bloßer Tunika und unbeschuht seine Vorstellung.

18 (1)  Am ersten Tage streckte er ganz allein hundert Bären nieder, wobei er vom Geländer der Balustrade herunterschoß; das ganze Theater war nämlich durch zwei feste Quermauern unterteilt, die eine ringsumlaufende Galerie trugen und sich gegenseitig in zwei Abschnitte schieden; dies hatte den Zweck, daß die Tiere, in vier Gruppen gegliedert, von allen Seiten her aus geringem Abstand leichter getroffen werden konnten. (2) Wurde Commodus mitten in seinem Kampfe müde, so ließ er sich von einer Frau etwas gekühlten Süßwein in einem keulenförmigen Becher reichen und trank ihn auf einen Zug leer. Das Volk und und auch wir Senatoren alle brachen daraufhin sogleich in den bei Trinkgelagen üblichen Spruch aus: «Mögest du lange leben!» (3) Und keiner möge glauben, daß ich die Würde der Geschichtsschreibung durch die Erwähnung solcher Dinge in den Schmutz trete! Ich hätte sie ja gewiß überhaupt nicht berichtet, doch da der Kaiser es war, der diese Vorstellung gab, und ich selbst, persönlich zugegen, an jeder Einzelheit sehend, hörend und sprechend Anteil nahm, hielt ich es für angezeigt, nichts davon zu unterdrücken, vielmehr die Vorgänge wie sonst ein Ereignis von höchster Wichtigkeit und Bedeutung dem Gedächtnis der späteren Geschlechter zu überliefern. (4) Und ich will in der Tat auch die anderen Geschehnisse alle, die zu meinen Lebzeiten spielten, eingehender und detaillierter schildern als frühere Ereignisse, weil ich ja selbst dabei anwesend war und im Kreise jener, die eine angemessene Beschreibung der Begebenheiten liefern können, sonst niemand kenne, der über solch genaues Einzelwissen wie ich verfügt.

19 (1) Am ersten Tag nun geschah das eben Berichtete; doch an den folgenden Tagen stieg Commodus bisweilen von seinem hohen Platz auf den Boden der Arena hinunter und tötete sämtliche Haustiere, welche ihm nahe kamen, außerdem einige, die ihm zugeführt oder auch in Netzen herbeigetragen wurden. Er erlegte ferner einen Tiger, ein Flußpferd und einen Elefanten. (2) Nach solchen Taten pflegte er sich zu entfernen, doch später - nach Einnahme eines Frühstücks - als Gladiator aufzutreten. Die Kampfesweise, deren er sich bediente, und die Rüstung, die er benützte, waren die der sogenannten secutores; dabei hielt er den Schild in der Rechten, das hölzerne Schwert aber in der Linken und tat sich viel darauf zugute, daß er ein Linkshänder war. (3) Seinen Kontrahenten machte entweder ein Sportlehrer oder auch ein Gladiator, der als Waffe nur einen Stab trug. Manchmal forderte er den betreffenden Mann selbst heraus, manchmal wählte ihn das Volk. Denn darin und in allem anderen stellte er sich den übrigen Gladiatoren gleich, abgesehen freilich davon, daß jene für eine bescheidene Summe antreten, während Commodus tagtäglich eine Million Sesterzen aus dem Gladiatorenfonds bezog. (4) Zur Seite standen ihm beim Kampf der Präfekt Aemilius Laetus und sein cubicularius Eclectus. Und wenn dann der Kaiser das Schattengefecht beendet und natürlich gesiegt hatte, dann küßte er, so wie er war, die beiden gewöhnlich durch den Helm hindurch. Darauf fochten auch die gewöhnlichen Kämpfer. Er selbst stellte am ersten Tag unten in der Arena sämtliche Paare zusammen; hierbei erschien er ganz in der Aufmachung des Hermes samt einem vergoldeten Stab und nahm Platz auf einer ebenfalls vergoldeten Tribüne. (5) Wir aber sahen in diesem seinem Tun geradezu ein Vorzeichen. Späterhin pflegte er zu seinem üblichen Platz emporzugehen und mit uns zusammen von dort aus das restliche Geschehen zu beobachten. Was dann folgte, war kein Kinderspiel mehr, sondern Ernst, so daß sehr viele Kämpfer den Tod fanden. Als einmal einige Sieger zögerten, den Unterlegenen den Rest zu geben, ließ er tatsächlich die verschiedenen Kämpfer zusammenbinden und befahl, daß alle gleichzeitig fechten sollten. (6) So stritten die aneinander gefesselten Paare Mann gegen Mann, und einige töteten sogar solche, die mit ihnen gar nichts zu tun hatten; denn infolge der Riesenzahl und der räumlichen Enge waren sie aneinander geraten.

20 (1) So in seiner ganzen Art zog sich jenes Schauspiel vierzehn Tage hin; wenn der Kaiser aber seine Fechtkünste zeigte, dann mußten wir Senatoren uns samt den Rittern jederzeit einfinden. Nur Claudius Pompeianus der Ältere war nie zu sehen, schickte aber seine Söhne; lieber wollte er dafür den Tod erleiden als zuschauen, wie der Kaiser, der Sohn des Marcus, derartige Dinge trieb. (2) Denn unter anderem, was wir da taten, mußten wir in all die anbefohlenen Rufe ausbrechen und besonders folgende Worte immer wiederholen: «Der Herr bist du und der Erste bist du und der Allerglücklichste. Du siegst und wirst siegen! Von Ewigkeit an, Amazonier, bist du Sieger!» Vom restlichen Volk aber kamen viele überhaupt nicht mehr ins Theater, andere entfernten sich wieder, nachdem sie bloß hineingeschaut hatten, teils weil sie sich der dortigen Vorgänge etwas schämten, teils aber auch aus Furcht; denn das Gerücht ging um, der Kaiser habe im Sinne, einige Zuschauer niederzuschießen, wie es Hercules mit den Stymphalischen Vögeln getan hatte. (3) Und dieses Gerede fand Glauben; Commodus hatte nämlich einmal alle Leute in der Stadt, die durch Krankheit oder sonstwie durch Unfall ihre Füße verloren hatten, zusammenholen, ihnen um die Knie so etwas wie Schlangenkörper binden und statt Steinen Schwämme zum Werfen geben lassen und sie schließlich als angebliche Giganten mit Keulenschlägen erledigt.